Tag 5: Tokio

Work hard, play hard

Man meint immer, Urlaub wäre nur eine Abwechslung vom Alltag. Wenn man es richtig macht, kann es einem aber so vorkommen, als wenn man erst jetzt, im Urlaub die Realität beobachten kann, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Den Wald vor lauter Bäumen quasi…

Japaner gehen im Anzug zur Arbeit. Das finde ich gut. Genau wie die Tatsache, dass sie nach der Arbeit oft mit ihrem Chef saufen gehen müssen, ob sie wollen oder nicht und zwar bis zum bitteren Ende. Man stelle sich nur mal vor… Dann schlafen sie oft in Kapselhotels, weil sie sich fachkundig die Rinne verzinkt haben oder nicht mehr heimkommen. Manchmal scheint es aber selbst dafür nicht mehr zu reichen.

Early bird – earthquake bird

Ob promillent oder nicht, früh aufstehen lohnt sich. Auch im Urlaub. Selbst meine Frau sieht das so und die schläft echt gern. Wir konnten uns auf 8.30 Uhr einigen. Dabei hätten wirs aber dann auch gerne belassen

6.33 Uhr, Montagmorgen in Nihonbashi, Tokio: Lauter, schriller, bisher nie gehörter Alarm dröhnt aus dem Smartphone. Das Display sagt „Erdbebenfrühwarnung: Es wird in Kürze ein starkes Beben erwartet. Suchen Sie Schutz.“

Top. Läuft. Kurz die Nachrichten angeworfen und tatsächlich: 6,3. Aber in Kanazawa, also Westküste. Das ist 2h entfernt. Weiterschlafen schien die beste Lösung.

Das erste Mal Shibuja – wie, wo, was?

Mega Cities haben selten das EINE Stadtzentrum. Auf Tokio trifft das ganz besonders zu. Das hat mehrere Gründe. Da der zentrale Stadtteil „Chiyoda“ nur aus Kaiserpalast und Kaisergärten besteht, also unzugänglich ist, wirkt er wie ein Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie Tokio. Alles bewegt sich drumherum. Die Stadt musste sich auch ständig neu erfinden. Zerstörung durch Feuer, Krieg und Erdbeben haben immer wieder Platz für neues geschaffen, aber halt nicht immer gleichmäßig. Und der Japaner reißt ja bekannter Maßen nix ab, was noch gut ist. Last but not least sind im 20. Jahrhundert rund um die Endbahnhöfe der Vorortbahnlinien große Zentren entstanden, in denen man heute die Hochhaus-Cluster und Einkaufszentren findet.

Shibuja ist ein besonders berühmtes solcher Zentren. Direkt vorm gleichnamigen Bahnhof liegt die berühmte Shibuja-Kreuzung. Zu der kommen wir später. Gleichermaßen berühmt, zumindest laut unserem Food Tour Guide Megum (Meggi), die wir an diesem Mittag dort treffen wollten, ist die Hachikostatue vorm Bahnhof. Die hat man zu Ehren eines Hundes errichtet, der dort jeden Tag auf sein Herrchen gewartet hat, das von der Arbeit zurückkam. Als der Mann gestorben war, lief der Hund weiter jeden Tag zum Bahnhof und wartete dort auf ihn. Es gibt einen sehr traurigen Film dazu. Am besten einfach nicht ansehen.

Foodtour durch Kichijoji

Wer aufmerksam gelesen hat, hat bemerkt, dass ich „wollten treffen“ geschrieben habe. Mit Meggi gab es leider ein kleines Missverständnis, wir hatten unterschiedliche Treffpunkte vereinbart. Aber sowas läuft mit Japanern (die Englisch sprechen) offenbar sehr angenehm ab. Wir sind dann von Shibuja nach Kichijoji gefahren. Ich kann noch immer nicht glauben, wie schnell das ging. Das ist ein gutes Stück weiter „draußen“.

Yakitori – gegrillte Spieße

Wir waren dort in drei Läden. Einem Grill, einem Sushi Laden und einem Dessert Laden. Die erste Station hast du vom Bahnhof aus schon riechen können. Es waren nur alte Japaner dort, die ihre Rente am Versaufen waren (13:00 Uhr) und der örtliche Wirt hat die Spieße (auf Japanisch Yakitori) gegrillt. Ansich könnt ich jetzt noch dort sitzen. Der Laden heißt Iseya (いせや 総本店). Volle Punktzahl auf Authentizität! Ihr findet ihn hier: Zu Google Maps

Sushi

Der Sushi Laden erinnerte von der Einrichtung her stark an ein runtergekommenes, altes amerikanisches Diner. Das holt mich ja schon ab. Interessanterweise war es ein Running Sushi, worüber wir im Vorfeld nichts Gutes gelesen hatten. So kann man sich täuschen, wenn man nur auf andere hört. Gute Japanische Running Sushis stellen nur Ausstellungsstücke aufs Band. Wenn du es bestellst, wird es frisch zubereitet. Das hat hier nie länger als Sekunden gedauert und der Laden war voll. Ich hab ausschließlich Zeug gegessen, von dem ich noch nie gehört hatte und ich musste aufhören, weil ich satt war, nicht etwa, weil ich fertig gewesen wäre. Man kann in Europa sehr viel Geld für Sushi ausgeben. Das hier war günstig. Ich habe bis hierhin nie vergleiachbares Sushi gehabt. Es sieht nicht besonders schön aus (dafür muss man wo anders hingehen und mehr Geld ausgeben) aber es schmeckt ganz, ganz anders. Ich werde zu Hause so schnell kein Sushi mehr essen. Das war großartig! Hier gehts zum Laden: Zu Google Maps

Laut unserem Guide wären Kinder im Restaurant in Japan übrigens angeblich gar kein Problem. Nur, dass ich bis heute keines gesehen habe (also nicht nur im Restaurant sondern einfach überhaupt nicht) Kindersitze hats übrigens auch nirgends. Dafür aber Wickelablagen. Und zwar in jedem WC, egal wie eng.

Ginza

Am Nachmittag haben wir Ginza angeschaut. Ein weiteres Zentrum der Stadt. Die Harumi Dori Avenue is gewissermaßen die 5th Avenue von Ginza. Sie führt vom Kaiserpalast, den man sich wie gesagt sparen kann, durch Ginza und weiter zum Tsukiji Outer Market (der alte Fischmarkt) und schließlich weiter nach Toyosu.

Der Outer Market ist ziemlich voll. Morgens schon aber da haben die meisten Läden noch gar nicht offen. Es ist gar nicht so einfach, dort etwas Leckeres zu Essen zu bekommen und vor allem ist es teuer. Man kann drüber laufen aber Essengehen würde ich wo anders. Das Blöde ist, dass man in Tokio bei bekannten Restaurants oft anstehen muss.

Ginza ist ein bisschen wie Midtown Manhattan. Es ist gigantisch, du bekommst hier alles und vor allem die reichen Japaner kommen hier her zum Einkaufen.

Roppongi

Im Uhrzeigersinn um die verdammten Kaisergärten herum zum nächsten großen Viertel: Roppongi.

Hier wohnen die Reichen, die in Ginza einkaufen. Hier stehen auch viele Botschaften… Ihr ahnt es, es ist stinklangweilig. Einziger Lichtblick: der ikonische Tokio Tower. Ich kann nicht erklären, warum ich ihn mag. Er ist eine dreiste Kopie vom Eifelturm und als wenn das nicht bodenlos genug wäre, ist er auch noch einen Meter höher. However, es hat trotzdem was. Wir sind nicht hochgefahren aber das wäre wohl auch eine gute Option um Mount Fuji aus der Stadt sehen können, was im Juni wohl generell nicht sein soll…

Wir wollten Roppongi mit exzellent bewerteten Gyozas beenden. Doch auch hier: anstehen. Ich hätte ihm dann doch ganz gern seine dumme Speisekarte in die Kauleiste gefaltet, als ich bemerkt habe, dass drinnen sehr wohl noch Platz war UND der Huren San 600 ¥ Service Fee wollte.

Wutentbrannt sind wir stattdessen in den Soba Laden darüber gestiefelt. Soba hatte Meggi uns mittags noch empfohlen. Für Leute, dies nicht so mit Schwein haben, die bessere Alternative zu Ramen. Und vor allem für die, dies nicht so mit Weizennudeln haben. Soba = 👍

Zum Abschluss noch ein Pietätstipp: Wer sein Stäbchen überall reinsteckt, verdirbt den Japanern den Appetit. Was pervers klingt ist in Wahrheit eher makaber. Stäbchen bitte nicht mittig in den Reis (oder Kartoffelsalat) stecken, das ist hier Teil der Begräbniszeremonie. Ich wünsche allen, die noch nach Japan reisen, dass SIE es VORHER erklärt bekommen und nicht erst nachdem sie in aller Öffentlichkeit sowas hier gemacht haben:

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