Tag 8: Tokio

Wir hatten nicht allzu viel vor an diesem Tag. Ursprünglich hätte hier mal ein Tagestrip per Bus zum Fuji angestanden. Nachdem wir am noch am Vortag bis spät in die Nacht recherchiert hatten, haben wir uns aber dagegen entschieden.

Wer den Berg erleben will, sollte zur Kirschblüte oder besser noch im Herbst fahren. Aber im Juni ist das Risiko hoch, dass der ganze Berg in Wolken gehüllt oder die Luft selbst bei Sonnenschein sehr diesig ist, was ihn zumindest aus Tokio unsichtbar macht. Sonst dürfte sich so eine Bustour aber lohnen. Es gibt einige verschiedene aber die meisten führen an Orte, im Norden des Vulkans, von denen die Sicht besonders schön sein muss. Der Weather Forcast hatte aber nur ein sehr schmales Zeitfenster am Morgen in Aussicht gestellt, an dem es überhaupt trocken sein sollte.

Eine gute Alternative kam dann auf: Ein Linienbus nach Kawaguchiko für nur 2000¥. Von dort, wo der Bus ankommt, läuft man ca. noch eine Dreiviertelstunde bis ans Nordufer des Kawaguchi-Sees. Dort muss man dann eine der bestmöglichen Aussichten überhaupt auf Mount Fuji genießen können. Aber auch das hätte mit unserem Zeitfenster nicht geklappt und außerdem muss man diesen Bus ein paar Tage früher buchen. Alternative damit ausgeschieden. Man Kann auch nach Fuji Stadt fahren. Hierher kommt man sehr unkompliziert mit dem Zug. Aber die Sicht aus Fuji AUF den Fuji ist wohl nicht vergleichbar mit den Orten an der Nordseite. Übrigens, wer den berühmten Fotospot mit dem Supermarkt im Vordergrund sehen will, wird auf jeden Fall enttäuscht werden. Hier hat man vor einiger Zeit einen Sichtschutz, bzw. Selfieshutz angebracht.

Wir sind also in der Stadt geblieben. Der neue Plan war, nach Ikerubuko zu fahren. Ein belebtes Viertel im Nordwesten der ringförmigen Yamanote-Linie. Hier gibt es einen nicht sehr ansehnlichen aber hohen Gebäudekomplex namens „Sunshine City“. Fanden wir dem Anlass entsprechend passend und haben direkt morgens, als der Himmel noch einigermaßen klar war auf dem Observation Deck von Sunshine City einen letzten Versuch gestartet, Fuji-san zu Gesicht zu bekommen.*

Überraschung: nix.

Dafür gab es hier etwas anderes, das wir bisher nur selten gesehen haben: Einen Kinderspielplatz. Indoor natürlich. Hier ist es Kindern tatsächlich gestattet, zu spielen. Auch laut. Digger, wie laut es war… ich mein, eine Oase der Ruhe im Vergleich zu europäischen Spielplätzen aber definitiv das Lauteste, was wir in Japan bisher auf die Ohren bekommen haben. Wenn du dich an japanische Stille gewöhnt hast, ist es für einen Moment etwas herausfordernd. Aber dann ist es schön, japanische Kinder sind süß. Sie lieben „High“-fives.


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Noch kleinere Kinder, solche, die noch getragen werden müssen, hatten wir übrigsens vorher schon gesehen, bevor wir mit der U-Bahn hergekommen waren. Beim Schrein in Nihonbashi liefen viele junge Familien in traditionellen japanischen Kleidern mit ihren Babies rum, die meisten mit professionellen Fotografen im Gefolge. Die Menschen bitten hier um Gesundheit für ihre Neugeborenen.

Ikerubuko ist bekannt für seine Spielhallen. Ich will den Begriff kurz verorten. In Europa sind Spielhallen, widerliche Orte, an denen Menschen Euros scheineweise in Glücksspielautomaten schieben, weil sie das Geld offenbar für nichts anderes brauchen. Diese Art von Spielhalle hat einen gewissen Einfluss, keinen guten, auf die umliegenden Straßen. Hier in Japan sind das ebenfalls Hallen mit Automaten. Man muss auch Geld dafür bezahlen aber es sind Computerspiele und keine Glücksspiele. Auf dem Gebiet ist die Nation führend. Viele der größten Spieleentwickler kommen von hier. Die Jugend liebt diese Spiele und auch die Automaten. Besonders beliebt: Spielautomaten für Musik Games.


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Die Japaner sind ein tolles Volk. Sie haben einen liebenswerten aber heftigen Dachschaden. Ehrlich, das Beste hier sind die Menschen. Ich glaube niemand, der nach Deutschland reist, zieht dieses Fazit. Aber hier sind sie hilfsbereit, sie sind höflich und interessiert UND sie sind eben verrückt.

Es gibt nur zwei Dinge, die sie in der U-Bahn tun, sie schlafen oder sie spielen – aus neurologischer Sicht höchst fragwürdige – Games auf ihren Smartphones. Alles, wirklich jeder Sachverhalt oder Hinweis wird mit Zeichentrick-Tierchen dargestellt. Japaner finden das „kawai‘ (niedlich). Beinahe jedes Hotel hat eine (teils riesige) Manga Bibliothek. Überhaupt findest du Mangaelemente, wohin du siehst. In Ikerubuko ist es besonders heftig. Wir haben es genossen aber die Spielhallen haben uns dann den Rest gegeben. Zeit für eine Essenspause.


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Ramen mal wieder. Wie die Profis am Automaten bestellt. Das Interessante dabei, das Restaurant in 2F war gar nicht so leicht zu finden. Voll wars trotzdem. Das ist in Tokio Standard. Oft liegen zwei oder mehr Restaurants übereinander, man muss schon genau hinsehen, ob das, das man grade betritt, das ist, das man unten auf der Tafel gesehen hat. Wir sind sehr dankbar, dass wir in Japan quasi überall kostenlos Wasser bekommen. (In München müssten wir innerhalb unserer drei Wochen für das Wasser, das wir hier kostenlos trinken einen dreistelligen Betrag bezahlen.) Meist steht es schon in (transparenten) Kannen am Tisch. Ich hab mir diesmal Suppe ins Glas gekippt. Merke: NUR durchsichtige Kannen enthalten Wasser.


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Nächster Halt: Shjinjuku mal wieder. Wir durften uns noch mal in diesen Banhof stürzen (in dem mehrere Einkaufszentren untergebracht sind) um im JR Service Center unsere Japan Railpasses, die wir zur bald anstehenden Nutzung der japanischen Bullet Trains gekauft haben, zu aktivieren. Das lässt sich leider nicht vermeiden, dieser Schritt ist notwendig.

Tipp: macht das hier in Shinjuku und nicht in Tokyo Station, hier geht es wohl schneller. Noch mehr Tipps: Macht das nicht erst einen Tag vorher. Ihr solltet nämlich für jede Fahrt Sitzplätze reservieren und das geht erst nach der Aktivierung, sollte aber so früh wie möglich passieren, um auf bestimmten Strecken, die guten Plätze zu bekommen. Viele Züge sind ausgebucht und nicht alle haben „Non-resvered cars“.

Aus dem Bahnhof wieder draußen sind wir noch mal durch Shinjuku gelaufen. Genauer gesagt durch Omoide Yokocho. Die kleinen Hütten und sehr engen Gässchen, die sich deutlich von der modernen Großstadt drumehrum abgrenzen stammen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Du findest hier jede Menge Kneipen, Bars, Grills und Ramen Places mit authentischer japanischer Esskultur. Omoide Yokocho ist besonders bekannt für Yakitori. Das ist gegrilltes Hühnchen, Rind oder Oktopus am Spieß dazu gibts kühles, in der Regel trinkbares Bier. Yeah.

Bis zum späten Nachmittag kann man hier in den Läden, die schon offen haben ohne Wartezeit essen. Danach wirds wohl hektischer. Es ist in Tokio nicht immer offensichtlich, ob etwas schon bald geschlossen oder demnächst geöffnet haben wird…


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Ein ausgedehntes Päusschen im Park tat Not. Hier lassen sich Japaner beim krampfhaften Versuch ein Date zu überstehen beobachten. Auch Hunde, die ihre Besitzer durch den Park ziehen kann man erleben. GANZ WICHTIG: Wenn dein Tier an einen Busch gepinkelt hat, musst du einen Schluck Wasser drüber gießen. Ich meine, das muss einen spirituellen Background haben…


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Weil der Fischmarkt ja neulich nicht so der Knaller war, hatten wir angenommen, abends wäre mehr los. Ja, ich weiß, das ist unlogisch, Fisch wird morgens verkauft. Aber das Ding besteht nun mal zu einem großen Teil aus Restaurants und wir war waren ja am (späten) Morgen dort. Naja, jedenfalls hielten wir uns für kluk, weil wir jetzt noch mal hinfahren wollten um grobes Sushi abzugreifen. Kurzum, da hätten wir auch genauso gut noch mal versuchen können, Mount Möchtegern zu sehen. Alles geschlossen, cruzefix.

Ein Sushi-Restaurant, das uns auch noch von einer Freundin empfohlen worden war, hatte aber doch noch offen und dort war es auch verdammt lecker: Tsukiji Koromo Sushi.

Fairerweise muss ich dazu sagen, dass es hier auf dem Markt sicher noch beeindruckenderes Sushi gibt. Was wir hier bekommen haben war aber in Punkto Frische nicht zu überbieten, es war unglaublich lecker und vor allem war es bezahlbar. Kulinarisch ist Tokio nach flächendeckender Übereinstimmung der besten Köche der Welt die aufregendste Staft auf dem Planeten. Vieles davon ist aber preislich für die meisten Menschen unerreichbar. Das besondere ist, das auch für den Durchschnittsgelbeutel herausragendes dabei ist.

Mahlzeit & bis morgen.


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*Der Sichtschutz steht inzwischen wohl nicht mehr.

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